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Autor Thema: DOKVILLE 2008 - Teil 1  (Gelesen 6452 mal)
admin
Gast
« am: September 29, 2008, 08:40:20 am »

Dokumentarfilm 2.0. -
Im Netz gefangen oder völlig neue Möglichkeiten?

5. und 6. Juni 2008, Kulturzentrum Ludwigsburg (Rathausplatz)
http://www.hdf.de/d/dokville/dokville2008.html
http://www.dokville.de/2008/programm/index.html

TEIL 1

Vielen Dank für die Einladung, hier zur Entstehungsgeschichte und vor allem
zur Auswertung meines Dokumentarfilms „Das Netz “ sprechen zu können, und welche Rolle dabei das Internet spielte.

Dokumentarfilm und eine Welt in höchster Auflösung
Mein Film entstand zwischen 1999 und 2003 mit Unterstützung verschiedener regionaler Filmförderungen und des Südwestfunks, und war zunächst mit einer Metrage von 90 Minuten geplant. Während der Produktion ergab sich jedoch eine neue Materiallage, und ich bin der den Film betreuenden Redakteurin Martina Zöllner noch heute sehr dankbar, dass Sie die die längere Metrage von nunmehr 121 Minuten Filmlänge mitgetragen hat.

Als ich mit der Aquise des Budgets und ersten Recherchen begann, waren die sogenannte „neue Ökonomie“, die Dotcoms, und die Aktienkurse auf einem Höhepunkt. Computing, Networking und der Cyberspace schienen alles zu verändern, nicht nur Kunst und Lebensweisen, man sprach sogar von einer neuen und digitalen Demokratie, digitaler Boheme und ganz neuen Wirtschaftsformen.
Marx schien passé. Auch die Film- und Fernsehproduktion sollte sich nun durch die unaufhaltsame Digitalisierung verändern, die sich sich wie eine gewaltige Druckwelle aufzubauen schien.
1994 hatte der EU-Kommissar Bangemann den Europäischen Informations- Superhighway ausgerufen, und dieser Ruf, verstärkt mit Geldspritzen und Fördergeldern, wurde auch in Deutschland gehört. So entstanden als Vorposten der künftigen Medienproduktion Potemkinsche Dörfer wie der High Tech Center in den Babelsberger Studios unter der Leitung von Peter Krieg, und wurden zunächst zu Weltsensationen aufgeblasen. Obwohl einige dieser Projekte wenig später kläglich wieder in sich zusammenzufielen, erfüllten sie jedoch letztlich die ihnen zugedachte Funktion als Cheerleader und Popularisierer einer medien- und ordnungspoltisch gewünschten Entwicklung.

Es wurden zu dieser Zeit viele Filme gemacht, die unablässig die Oberflächen dieser Phänomene beschrieben und polierten, aber dem Kern der Dinge fern blieben. Mich interessierte aber etwas Anderes, die Beginnzeit.

Am Anfang meiner Recherchen stand daher die Frage: Woher kommt der Gedanke, das Gehirn und der Mensch seien eine Maschine?
Was veranlasste Wissenschaftler zum Entwickeln von Menschen-Maschinen, oder besser gesagt: einer Mensch-Maschine-Symbiosis, von der das WEB 2.0. ja nur eine der aktuellen Anwendungen ist?
Was waren der Antrieb und die Intentionen für ein wissenschaftliches Weltbild, das auf Rechnen, Zählen, Messen, Kontrollieren insistierte und das Verbessern des Leibes, und der Natur zum Ziel hatte? Und wie weit mußte man zurückgehen, um zum Ursprung dieser Ideen zu gelangen? Bis zu Cusanus, dem Barock, Leibniz, Goethe und der Hermeneutik, Descartes oder Newton?

Ich entschied mich bei den legendären Macy-Konferenzen anzusetzen, die zwischen 1946 und 1953 stattfanden - und bei der technisch-wissenschaftlichen Entwicklung während des zweiten Weltkriegs und in der darauf folgenden Zeit des Kalten Krieges. Denn auch für das, worüber wir hier sprechen, ist der Krieg der Vater aller Dinge.

Mein Film beschreibt die Utopie von einer neuen Weltordnung, deren Fundamente mit Hilfe einer neuen Wissenschaft errichtet wurden, die interdisziplinär und anti-metaphysisch war. Systemtheorie, Kybernetik, Mathematik, Medienkunst, Logik, Psychologie und die neuen Sozialwissenschaften waren die Werkzeuge für das Modell einer neuen Welt als offenes System. Dieses System sollte keine keine Grenzen haben - eine mit technischen und biogenetischen Hilfsmitteln gebaute Unendlichkeit aus künstlichen neuronalen Netzen.
In ihr würde die Sprache nun zirkulär werden, aus Wahrheit würde Wahrschein-lichkeit, Realität zur Konstruktion und Körper würden Teile von Maschinen.

Mein Film zeigt Konstrukteure, Maschinisten und Agenten dieses Systems.
Einer steigt aus, und versucht mit Terror die Maschinen zu stoppen.

Als Einstieg möchte ich Ihnen nun einen kurzen Ausschnitt aus meinem Film zeigen. Er ist aus dem Interview mit Stewart Brand, einem der Cyberhippies von der amerikanischen Westküste, der auch Mitglied der sogenannten DIGERATI ist,
einer selbsternannten Elite um den New Yorker Verleger John Brockman. Zu dessen Clienten gehören neben Brand u.a. Freeman Dyson, Craig Venter und andere Stars aus den Bereichen Biogenetik und Computing wie Bill Joy, Ray Kurzweil oder David Gelernter.

(Ausschnitt Stewart Brand: Die Welt als offenes System)

Die Welt als offenes System
Die Welt als ein offenes System zu begreifen, in dem viele Sub- oder Teilsysteme ineinandergreifen und sich bedingen, war eine Utopie, die ihre Gründerväter (und wenigen Gründermütter) zum Beispiel auf den schon erwähnten Macy-Konferenzen begeisterte.  Vor allem diejenigen unter den teilnehmenden oder assoziierten Wissenschaftlern und Philosophen, die  als Emigranten die Absolutheit „geschlossener Systeme“ kennen- und fürchten gelernt hatten, vornehmlich die des Faschismus. Ihnen erschien eine Vielzahl von Realitäten und Wirklichkeiten in einer Welt als „offenem System“ ein phantastischer Gegenentwurf zu einer Welt als absolutes, totalitäres und geschlossenes System mit nur einer Wirklichkeit und Wahrheit (die für viele dieser jüdischen Wissenschaftler ja rassische Erfassung, Selektion und auch Vernichtung bedeutete).

Nun hat sich aber nach und nach diese Utopie in ihr Gegenteil verkehrt.
Aus den konstruktivistischen Gedankenspielen der 1960er Jahre des letztens Jahrhunderts sind mittlerweile Normen und etwas geworden, was der Konstruktivismus heftigst bekämpfen wollte - eine neue Wahrheit.
Das hat heute teilweise Züge einer Diktatur angenommen, mit Dogmen und Glaubenssätzen und zu einer medialen Wirklichkeit geführt, von der sich ihre ehemaligen intellektuellen Vordenker nun beginnen zu fürchten - der Golem lässt grüßen. Die Nebenwirkungen der seinerzeit als Mittel gegen den autoritären Charakter und Totalitarismus verabreichte Medizin beginnen sich mehr und mehr abzuzeichnen.

Am Ende wird, wie es der Medienkünstler Ingo Günther in einem aktuellen Text mit dem Titel „Politisierung und Globalisierung“ für die Zeitschrift „der architekt 2/08“ vermutet, das Netz „zu einer besonders perfiden Form von Eindimensionalität mutiert sein, die im Endeffekt jegliche Form von politischen Bewusstsein kanalisiert, foklorisiert, absorbiert und ruhigstellt. Jegliches Unbehagen am System wird abgefangen, die Repressionsmechanismen werden eleganter“, Umerziehung wird
in Selbstumerziehung übergehen, und die auf den Status eines Haustiers abgesunkenen Individuen werden diesen als behaglich, modern, zeitgemäß und demokratisch erleben.

Welche Rezeptionserfahrungen  habe ich mit dem Film gemacht?

Nach der Vorpremiere des Films beim Heinz-Von-Foerster Kongress 2003 in Wien
kam es zum Beinah-Eklat, weil einige Mitglieder der American Cybernetic Society, die zeitgleich ihre Jahrestagung abhielten, aus Protest gegen den Film nicht am Abschlussdinner teilnehmen wollten. Erregte Diskussionen, Wut, Protest.
„Die Konstruktivismus-Päpste sind sauer“, flüsterten mir verlegen die Veranstalter zu.
Kollege Peter Krieg, selbst Dokumentarfilmer und Mitglied des Kybernetik-Clubs, schrieb an einen gemeinsamen Freund folgende Kritik des Films, mit der ich bei einer Podiumsveranstaltung im Goethe-Institut in Prag öffentlich konfrontiert wurde:
„Ich war entsetzt über die talibanistische Technikkritik, die eigentlich völlig die Position des Unabombers Ted Kaczynski übernahm... eine paranoide Darstellung der Geschichte der Kybernetik mehr oder weniger aus dessen Sicht. Die Autoren haben es fertiggebracht, die gesamte Kybernetik Szene von den Macy Meetings
bis Heinz von Foerster als einzige Verschwoerung von US Regierung und CIA zu verpacken...das ganze war wie die Auferstehung des guten alten DDR-Propagandafilms aus den Zeiten des Kalten Krieges, der Autor scheint auch ideologisch aus dieser Ecke zu stammen. Es fehlte eigentlich nur noch der Verweis auf die jüdische Weltverschwoerung... "

Natürlich möchte man als Filmemacher nach der Vorpremiere lieber hören:
„Mensch, toller Film, wie hast Du das denn gemacht, ist ja Wahnsinn!“ und Ähnliches. Aber als eher diskursiv geprägter Künstler  war ich dann von dieser Reaktion begeistert, zeigten mir diese Emotionen doch an, dass ich einen neuralgischen und auf jeden Fall sensiblen Punkt getroffen hatte, wo sich neben Unbehagen und vielleicht auch eigene Schuldgefühle gesammelt hatten.
Die Premiere des Films war dann 2003 im internationalen Wettbewerb des Leipziger Festivals, auch hier viel Pro und Kontra. Dann folgten eine Reihe anderer internationaler Filmfestivals, aber den Schwerpunkt legte ich auf die Teilnahme an Medienkunstfestivals weil ich der Meinung war, man müsste hin zu den Computer-Freaks, zu den Kybernetikgläubigen, zu den Wissenschaftsgläubigen und denen eine Kontraposition anbieten. Das war sehr erfolgreich, und hat viel produktive Reibung provoziert.

http://www.emaf.de/_emaf/index.php?id=41

Das Wichtigste aber war mir den Film ins Kino zu bringen.
Nach vielen Ablehnungen, den Film zu verleihen, hatte ich zu guter Letzt zwei Alternativen: die Filmwelt Verleihagentur GmbH in München und EYZ-B.Film Berlin, ein kleiner Verleih, der  gerade startete und bisher zwei Filme herausgebracht hatte.
Ich entschied mich für den Berliner Verleih. Die Betreiber waren Profis und zuvor Betreiber u.a. der Kinos Eiszeit und Central in Berlin.
Die Strategie für die vielen begleitenden Diskussionen und Filmgespräche entwarf ich selbst - da war der Verleih allerdings wegen der komplexen inhaltlichen Gemengelage überfordert.
Der Film wurde nach dem Kinostart sowohl mit starker Kritik wie euphorischer Zustimmung aufgenommen,  vor allem wegen seiner Darstellung von Wissenschaft als Steuerungselement von Politik, und der seltsamen Allianzen von Hippies, 68er Drogen- und Popszene, New Frankfurt School, Harvard Psychologen, CIA-Projekten wie MKULTRA sowie moderner Kunst als Schmier- und Gleitmittel für politische Strategien und Doktrinen der US-amerikanischen Politik.

Die zum Teil harschen und bis an den Rand der Rufschädigung gehenden Kritiker und Kritikerinnen haben sich allerdings beruhigt.
Heute ist der Film an viele Universitäten und Filmhochschulen im deutschsprachigen Europa verkauft, und von Hamburg bis München, Wien und Zürich Unterrichtsstoff. Zudem wurde er auf vielen wissenschaftlichen Kolloquien „wissenschaftlich“ zertifiziert, und ist u.a. durch gemeinsame Veranstaltungen mit Wissenschaftlern wie Dirk Baecker oder Claus Pias auch in der Fachwissenschaft etabliert und wird zunehmend als interessante Quelle geschätzt, siehe das soeben bei 2001 erschienene Buch von Günther Amendt zur Geschichte des LSD.

Wichtig war auch die Website zum Film www.t-h-e-n-e-t.com
Ich hatte bisher keine Erfahrung mit dem Medium und war neugierig, was passieren würde. Die Seite ist als Lese- und Wissensseite konzipiert, nicht vorrangig als Verkaufsplattform für DVD´s, T-Shirts, Basecaps oder anderes Merchandising. Hauptsächliches Ziel war, das viele interessante Material, das nicht im Film Verwendung finden konnte, anbieten zu können, etwa ein Interview mit Paul Garrin, Hans Haacke, Jack Burnham oder Rudolf Arnheim.

Auf der Website sind eigentlich bei jedem Kontrollklick, zu jeder Tages- und Nachtzeit, Besucher aktiv. Es wurde auch ein „Forum“ eingerichtet, das zunächst rege Debatten aufzeichnete, aber nach monatelangen Spamattacken im Oktober 2007 neu konzipiert und gesichert werden mußte.
Seit September 2007 sind die vielen Texte und Essays nun schon wieder über 6000 mal angeklickt, und, so hoffe ich, auch gelesen worden.

Nach der Kinoauswertung mit ca. 14.000 Zuschauern im Kino und auf Festivals und in Sonderveranstaltungen begann dann die DVD-Auswertung  durch Absolut Medien in Berlin, der Verleih rechnet in den nächsten zwei Jahren mit ca. 4000 - 4500 verkauften DVD.
Seit 2006 gab es dann eine zusätzliche Auswertung durch den amerikanischen Verleih OTHER CINEMA in San Francisco
http://www.othercinemadvd.com/net.html

Das verbesserte nicht nur die Rezeption in den USA und Canada
http://www.ubyssey.ca/?p=79
http://www.leonardo.info/reviews/nov2006/net_mosher.html
http://www.popmatters.com/film/reviews/n/net-2004-dvd.shtml
sondern eröffnete nochmals eine Festivalauswertung, die sich durch die Aktivitäten des US-Verleihs ergaben.
So lief der Film u.a. Ende 2007 auf dem Festival von Vancouver
http://www.theglobeandmail.com/servlet/story/RTGAM.20061014.wcolumn14/BNStory/PersonalTech/

2008 bisher in Kopenhagen, Warschau (Planet Doc), Valencia
http://www.observatori.com/pages/ob.php?anim=0&lang=en&tid=3#Lutz%20Dammbeck und ist zum Internationalen Dokumentarfilmfestival Teheran eingeladen.

Eine Langfassung aller Interviews, begleitet von einer Textfassung d- e auf CD wurde an verschiedene Universitäten verkauft, und bei Veranstaltungen wie diesem Kolloquium an der Freien Universität in Berlin öffentlich vorgeführt, und erstaunlich gut angenommen:

http://www.expolar.de/kybernetik/

Die Auswertung erfolgte konvergent in vielen verschiedenen und miteinander verknüpften Medien: Kino, TV, Buch zum Film, Webseite, Texte in Zeitschriften

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26380/1.html

und Vorträge auf Symposien, wie auch mit Werken der Bildenden Kunst, wo in Installationen und Ausstellungen das Material
des Films und bisher ungenutztes Recherchematerial „gespielt“ wurde:

http://www.artnet.de/magazine/kommentar/findeisen/findeisen10-09-06.asp

Seit der Premiere 2003 gab es ins Netz gestellten Raubkopien, die zum kostenlosen Download angeboten wurden, und es
kursierten bald Clips und Ausschnitte im Netz. die von mir unbekannten Fans und Dritten dort placiert wurden

http://www.youtube.com/watch?v=mv2dfq4XF1E
http://www.youtube.com/watch?v=70CNM1e3k5k
http://jerryblossom.blogspot.com/2007/02/watch-lutz-dammbecks-net-2004-online.html

Die Seiten, wo es sich nur um Ausschnitte handelt, wurden als kostenlose Werbeträger verstanden. Dazu gehörten auch Links wie der auf der EDGE-Webseite von John Brockman, wo der amerikanische Professor Turner im Zusammenhang mit einem neuen Buch über Stewart Brand  (STEWART  BRAND MEETS THE CYBERNETIC COUNTERCULTURE , By Fred Turner) auch einen Link auf meine Webseite setzte

http://www.edge.org/documents/archive/edge193.html#turner

Von einigen Seiten mußte der Film allerdings nach einer dringlichen Aufforderung entfernt werden, da es sich um Downloadangebote in beträchtlichem und nichtakzeptablem Umfang handelte

http://www.archive.org/details/movies
http://www.nuoviso.de/

bei anderen wurde darauf verzichtet weil das Angebot so trickreich und verästelt konstruiert ist, dass der Versuch das zu stoppen zuviel Zeit in Anspruch nehmen würde

http://www.zoozle.org/emule-bittorrent-download/Lutz%20Dammbeck%20%20%20The%20Net%20%20%20The%20Unabomber%20%20Lsd%20And%20The%20Internet,torrent,en,0.html
http://www.zoozle.net/xxx/Das+Netz%2Blutz+dammbeck,emule,download,0.html
Bei einigen Seiten war es schwierig und schien (für mich) eine Geheimwissenschaft, zum Gesuchten vorzudringen
http://mov-world.net/?in=omega-music.com

Die Verleiher, die diese Entwicklung mit berechtigter Sorge beobachten, sagen mir auf Nachfragen folgendes: Bei Jugendlichen geht die Tendenz vom kostenfreiem Downloaden hin zum Streaming, eine DVD leistet man sich nur noch als Höhepunkt, wenn es einmal „etwas Gutes“ und „Besonderes“ sein soll.

Eine neue Möglichkeit Filme ins Web zu stellen sind Blogger-Webseiten wie zum Beispiel rebell tv, deren Macher in der Nähe des Bodensees sitzen. Die Webseite enthält Filmclips, Blogs und Texte. Ein Realisator (oder besser „Aktivist“) fährt mit Camcorder und externem Mikro zu allen möglichen Anlässen wo es „etwas Interessantes“ über Kunst, Philosophie und „Weltveränderndes“ zu erfahren gibt, oft ist auch ein Fotograf dabei, und stellt das aufgenommene Material anschließend unbearbeitet ins Netz. Man will keine Bearbeitung des Materials wegen der Gefahr des Entstehens von hierarchischen Strukturen durch Wertung (das wäre z.B. schon ein Film mit Anfang und Ende). Es soll das das aufgenommene Material „pur“ angeboten werden, um dem User die Möglichkeit zu geben, damit zu machen, was er will, also damit seinen eigenen Film zu montieren. Angeboten wird, in meinen Augen, ein über den Screen verteilter Wirrwarr. Die Beiträge auf rebell.tv haben Clipcharakter, und sind Infotainment. So kam es auch zu einigen Beiträgen über „Das Netz“ und meine sich aus diesem Material entwickelnden Vorträge und Kunstausstellungen

http://blog.rebell.tv/lutz-dammbeck-wie-viel-prozent-meiner-energie-meiner-zeitressourcen-soll-ich-fuer-die-wachsamkeit-aufwenden-oder-soll-ich-einfach-produzieren.html
http://rebell.tv/

Bei aller Sympathie für solche Aktivitäten: würden die Besucher auf der Seite  bleiben, wenn das Material verdichtet wird?
Und: die User sehen hier wie in den anderen illegalen Tausch- und Streamingbörsen allerdings nur Karrikaturen oder eine zerstörte Fassung von Filmen. Selbst wenn das Versprechen von einer „Welt in höchster Auflösung“ wahr werden würde:
ich bin gegen diese Art der Rezeption. Weil sie vereinzelt, eine Mensch-Maschinen-anbindung verfestigt und weitertreibt, und Zeit frisst die fürs Leben nötig waere.

Ich habe mit meinem Film eine starke Webpräsenz erreicht, das zeigen die unzähligen Aufrufmöglichkeiten und Links.
Aber was bedeutet das, kilometerlange Einträge nach einem Aufruf bei google zu haben? Haben mehr Leute im Kino gesessen? NEIN
Mehr Leute das Buch zum Film gekauft? NEIN Was steht hinter den Zahlen der Aufrufe im Forum meiner Website? Haben die den Text gelesen? ICH WEISS ES NICHT. Aber das ist das Einzige was mich interessiert. Alles andere ist fiktional, und fördert Wunschvorstellungen und Märchen.
Im Kino sind die Reaktionen klar: es sitzen wenige Besucher drin, paar gehen noch raus, die meisten (hoffentlich) bleiben, einige wollen danach noch reden und diskutieren. Ich sehe und spüre körperliche Reaktionen, wenn was geklappt hat,
oder wenn was nicht funktioniert.
Im Web ist das unklar. Ich will aber wissen: WAS IST DENN NUN?
Ich will also REALITÄT, das Unwort. Ich will Konzentration und Gestaltung, Verdichtung und Form - statt Auflösung, Formlosigkeit und Brei.

ENDE TEIL 1

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